Alfred und Ulrich Lindemann

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Der alte Grubengaul
Otto Wohlgemuth

Der Gaul war invalide. Es war klar,
daß nichts mehr mit ihm anzufangen war.
Der Kopf hing ihm so tief, bis zu den Knien.
Er konnte kaum noch ein paar leere Wagen ziehn

Sprach einer: Fertig, für den Schinder reif!
Da stand der Gaul, verbraucht und alt und steif.
In unbewußter Not und stummer Pein
verkroch ein Tier sich in sein dumpfes Erdensein.

Mir war, als fing das Pferd zu reden an:
Hab' ich dir dafür meine Pflicht getan?
Ich schleppte achtzehn Jahre in der Nacht
für dich die Kohlenzüge an den Förderschacht. .

Dein Kamerad war ich in all der Zeit.
Schwer träumt' ich oft von meiner Jugendzeit,
und trauerte und grämte mich dahin,
warum mir denn des Lebens Sonne nicht mehr schien.

Wie oft ich meinen Nacken mir zerstieß,
verschweißt, verdreckt, gehungert im Verließ!
Im Schlamm, in Enge tat ich meine Pflicht.
Ich sah doch achtzehn Jahre lang kein Tageslicht!

Was nun? Ja ja. Der Gaul, zu guter Letzt,
Befehl von oben, ward zur Ruh gesetzt.
Sollt' irgendwo auf einer Wiese weiden
und auch einmal genießen ganz des Lebens Freuden.

Im Schachte sausten sie mit ihm zu Tag.
Im Juli war's. Ein schöner Sommertag.
Ach Gott, wie sah das Tier im Lichte aus!
So führten sie ihn dann ins grüne Tal hinaus

Schön ist die Wiese, wo die Blumen stehn.
Doch mocht' der Alte wohl nicht recht mehr sehn.
Er stand nur da auf seinen harten Beinen
und ließ sich von der Sommersonne warm bescheinen.

Er war so müde. - O, der Wind, dies Schweben
Auf eimal fühlte er ein tief' Durchbeben.
Gesang durchbrauste ihn mit dunklen Flammen:
Erst brach er in die Knie, dann stürzte er zusammen.